Seit der Lammgigot vor ein paar Jahren aus ethischen Gründen in Frage gestellt wurde und man sich beim Dessert über Zuckerstreusel streitet, gibt’s bei Martin am Ostersonntag einfach einen Brunch.
Bring mit, was du willst. Komm, wenn du willst. Geh, wenn’s dir reicht. Moderner Familienkonsens.

Ich hatte für die Kinder vegane Schoggieili und Dinkel-Gipfeli besorgt – weil ich keine Lust auf die Diskussionen vom letzten Jahr hatte. Es stellte sich dann aber heraus, dass die veganen Kinder kein Bedürfnis nach Familie hatten und lieber zuhause geblieben sind. Ich war sauer. Die Eili haben dann ihren Weg in Tante Rös’ Handtasche gefunden. „Für später.“

Martin hatte wie immer alles sehr hübsch angerichtet. Natürlich. Er hat ja am meisten Platz. Und das Bedürfnis, sich als funktionierendes Zentrum der Familie zu inszenieren.

Tante Rös kam mit Anneli im Schlepptau, „weil die jetzt alleine ist und an Feiertagen nicht rumsitzen soll.“ Anneli hatte einen Fruchtsalat dabei. Und eine neue Frisur. Und sie trug eine weisse Leinenbluse.

Wie ich.

Aber im Gegensatz zu ihr trug ich meine weisse Leinenbluse – mein emotionales Zelt – mangels Alternativen. Ich hab Anneli kurz angeschaut. Sie sah… sehr gut aus. Frisch. Vielleicht war ihre Bluse aus einem besseren Stoff. Oder besser gebügelt. Oder sie hatte einfach weniger Dinkel-Croissants gegessen als ich.

Ich hab dann an mir heruntergeschaut. Und da war er: ein roter Fleck Erdbeer-Confi – mitten auf meinem Bauch. Rot auf Weiss. Ein Fleck, der schreit: „Sie hat’s versucht. Es ist ihr nicht gelungen.“

Anneli hat mich angestrahlt: „Giulia, wie schön! Wir sehen ja aus wie Zwillinge!“
Zwillinge?! Sie ist mindestens 30 Jahre älter als ich!
Zwei Frauen. Zwei Leinenblusen. Zwei Lebensentwürfe.
Sie hat als frisch gebackene Witwe die Kurve gekriegt und ich bin die mit dem Fleck.

Martin konnte es auch nicht lassen. Er betrachtete mich von der Seite, schob sich einen halben Toast mit Lachs in den Mund und bemerkte: „Du musst langsam schon ein bisschen aufpassen, Giulia… Man merkt schon… also… Fitness wäre vielleicht wirklich nicht schlecht…“

Ich hab ihn angesehen. Dann auf meinen Teller geschaut, auf dem noch ein halbes Dinkel-Gipfeli und Erdbeer-Confi lagen. Ich hab nichts gesagt. Aber ich hätte ihn erwürgen können. Er selbst ist weit entfernt von Mr. Universum – aber das ist wohl etwas anderes. Und sowieso. Es-geht-ihn-nichts-an.

Innerlich hab ich beschlossen, dass ich nächstes Jahr auch Fruchtsalat bringe. Bio und mit fancy Super- Food-Beeren drin. Nächstes Jahr diejenige mit dem gesunden Lifestyle zu sein. Oder einfach gar nicht mehr hinzugehen. Weil – ganz ehrlich – auch ich hab langsam kein Bedürfnis mehr nach Familie.

Giulia bringt vegane Ostereili zum Familienbrunch - Foto im Tagebuch

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