„Ich fahr! Ich fahr auch alleine! Rimini war unser Sommertraum! Ihr versteht mich eh nicht!“

Ich wusste, dass es keine gute Idee war. Martin auch.
Aber Tante Rös kann sehr überzeugend sein – und sehr dramatisch.
Mit Anneli hatte sie sich zerstritten, weil die für Wanderferien mit der Familie gebucht war.
Martin konnte nicht frei nehmen und meinte, ich solle „Jetzt halt einfach mal übernehmen.“
Rimini im Juli? Mein persönlicher Albtraum.
Wer tut sich das freiwillig an?

Doch wie immer war ich nicht schnell genug mit dem Nein.
Und ehe ich mich versah, sass ich im Auto – mit einer überglücklichen Tante im blumigen Sommerkleid, einer Kühlbox voller Snacks und einem schlechten Gefühl im Bauch.

Wenigstens hat Martin den Hund genommen. Das war der Deal.
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, noch bevor wir losgefahren sind.
Dem Hund gegenüber, nicht Martin.

Tag 1 – Bella Italia
Stau am Gotthard.
Stau an den Zahlstellen.
Stau vor den Toiletten.
Wenn’s ausnahmsweise lief, musste Tante Rös auf die Toilette. (Blase.)

Am späten Nachmittag: Ankunft in Rimini.
Dank Navi das Hotel gefunden, irgendwie eingecheckt.
Die Parkgarage viel zu eng, ein lautes SIGNORAAAAAA und ein eingedrückter Kotflügel.

Dann: Sommerkleid, Nagellack, Strohhut.
Und die ersehnte Pizza Margherita an der Promenade.

Ungeniessbar. Touristenfutter.
Kein Giuseppe in Sicht, nicht mal ein Enkel von Giuseppe.
Tante Rös gab sich keine Blösse.
Meine weiße Leinenbluse klebte am Rücken, die Haare am Nacken, die Laune irgendwo bei minus zehn.

Im Hotelzimmer war  die Klimaanlage kaputt. Ich schlief in einem tropischen Feuchtbiotop und war akustisch bis morgens um vier bei der Party im Innenhof dabei.

Tag 2 – Pronto Soccorso
35 Grad. Luft zum Schneiden.
Caffè im Hotel? Eine Brühe.
Die Bar? Rammelvoll. Laut.
Cappuccino im Plastikbecher.
Tante Rös seufzte: „Früher war das anders.“
Ich lächelte schwach und bestellte einen doppelten Espresso. 

Dann an den Strand – bagno.
Der bagnino wollte 30 Euro für einen Sonnenschirm und zwei Liegen.
Noch bevor ich ihr sagen konnten, dass wir uns in der Hochsaison 2025 befinden, rastete sie komplett aus.
Diskussion auf Italienisch, Handgefechte, Hysterie.
Sie kippte um – Hitze, Aufregung, Kreislauf.

Geschrei.
Pronto soccorso.
Ospedale.
Infusion.

Ich sass daneben, schwitzte unter Sonnencreme LSF 50.
Sand zwischen den Zehen.
Kein Empfang.

Abends zurück im Hotel.
Koffer packen.
Rös blieb über Nacht zur Beobachtung im Spital.

Ich schickte Martin ein WhatsApp.
Er schrieb zurück:

„Du hättest besser auf sie aufpassen müssen.“

Ich löschte die Nachricht.
Und den Rest meiner Geduld.
Und trank das Fläschchen Averna aus der Minibar.

Tag 3 – Ciao Rimini
Tante Rös war stabil und wurde entlassen.
Wir fuhren zurück.

Stau an den Zahlstellen.
Stau am Gotthard.
Stau vor den Toiletten.
Wenn’s mal lief– musste Tante Rös auf die Toilette.
Diesmal wegen der Infusion. Nicht wegen der Blase.

Ich lieferte Tante Rös bei Martin ab.
Samt Koffer.
Der Hund freute sich als Einziger.

1200 Kilometer Stau für null und nichts.
Warum kann ich nicht nein sagen?
Nicht mal bei einer vergilbten Postkarte für 2 Euro…

Giulia bringt vegane Ostereili zum Familienbrunch - Foto im Tagebuch

2 Kommentare

  1. Ciao Bella
    Woher nimmst du bloss immer den Stoff? Denke, das sind Geschichten die das Leben schreibt😅. Es ist nach Mitternacht, nach langer Pause ( wurde mir aufgezwungen) heute mit dem Zug nach Milano weil Ticket sonst verfallen wäre. Wie der dümmste Tourist, bei Gluthitze und im August…wo doch alle ans Meer flüchten . Die geplante Shoppingtour wurde ersetzt durch Milano Open Tour…jetzt kenne ich wenigstens einen Teil der Stadt und seine Geschichte. Zumindest hat es diesmal ( SBB lässt grüssen) mit den Verbindungen geklappt. Grazie für die Karte aus Rimini und deine lustige Erzählung….da bin ich heute ja noch gut davon gekommen😆.

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    • Und ich dachte ja schon, ich wäre die Königin der spontanen Ideen – aber Milano bei Gluthitze? Das toppt alles! Verfallende Tickets sind wie übrig gebliebene Gipfeli: Man kann sie nicht einfach wegwerfen… Ich hätte wahrscheinlich erst nach Leinenbettwäsche gestöbert und mich dann wie eine Touristin im Dom festgesetzt – nur um der Hitze zu entweichen. Aber immerhin war diesmal Verlass auf die SBB!

      LG Giulia
      P.S. Die Karte ist sehr gern geschehen!

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